Bewährungsmaßnahmen für Minderjährige im französischen Strafrecht
Das französische Strafrecht sieht eine große Bandbreite an Sanktionsarten vor: Die französischen Gerichte haben die Möglichkeit, neben oder anstelle des Freiheitsentzugs und einer Geldstrafe auch gemeinnützige Arbeit, den vorübergehenden Führerscheinentzug oder eine dauerhafte Führerscheinsperre, ein Ausübungsverbot in Bezug auf verschiedenste Rechte – wie zum Beispiel die Fahrerlaubnis oder das Recht, mit Schecks zu zahlen – zu verhängen. Anders als in Deutschland, wo nur Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden, kann in Frankreich bei allen diesen Arten der Strafe die Vollstreckung ausgesetzt werden.
Gerichtliche Kontrolle (Contrôle judiciaire – CJ)
Dies ist eine strafrechtliche Maßnahme, die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vor der Urteilsverkündung verhängt wird. Sie kann gegen eine Person angeordnet werden, gegen die ermittelt wird und der eine Gefängnisstrafe oder eine Zuchthausstrafe droht, und kann zu einer oder mehreren von 16 möglichen Auflagen verpflichten, darunter
- bestimmte territoriale Grenzen nicht zu verlassen
- sich nicht an bestimmte Orte zu begeben
- sich bei vom Richter bestimmten Dienststellen, bevollmächtigten Vereinigungen oder Behörden zu melden
- sich von bestimmten Personen fernzuhalten oder mit ihnen in Kontakt zu treten
- sich ambulanten oder stationären Untersuchungs-, Behandlungs- oder Pflegemaßnahmen zu unterziehen, insbesondere zum Zweck der Entgiftung
Strafaussetzung zur Bewährung (Sursis avec mise à l’épreuve -SME)
Sie wird vom Gericht Minderjährige gewährt, die zum Zeitpunkt der Tat älter als 13 Jahre sind. Dabei verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von höchstens fünf Jahren, deren Vollstreckung unter Bewährungsauflagen ausgesetzt wird. Während der Bewährungszeit werden den Verurteilten Kontrollmaßnahmen auferlegt. Einige Beispiele:
- eine berufliche Tätigkeit auszuüben oder eine Berufsausbildung zu absolvieren
- an einem bestimmten Ort zu wohnen
- sich einer ambulanten oder stationären medizinischen Behandlung oder Betreuung zu unterziehen
- sich von bestimmten verurteilten Personen, insbesondere den Tätern oder Komplizen, fernzuhalten
Bei Nichteinhaltung kann der Jugendrichter eine Verlängerung der Bewährungszeit auf bis zu drei Jahre anordnen oder die Strafaussetzung ganz zurücknehmen.
Gemeinnützige Arbeit (Le travail d’intérêt général – TIG)
Es handelt sich hierbei um unbezahlte Arbeit zugunsten einer Einrichtung oder eines Vereins und wird in Bezug auf Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren verhängt, die Straftaten begangen haben, die mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Die gemeinnützige Arbeit muss Ausbildungscharakter haben oder geeignet sein, die Eingliederung der Minderjährigen in die Gesellschaft zu fördern. Diese Maßnahme kann nicht Personen gewährt werden, die diese ablehnen oder bei der Anhörung nicht anwesend sind. Die gemeinnützige Arbeit kann im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung eingesetzt werden.
Führungsaufsicht (Le suivi socio-judiciaire – SSJ)
Bei dieser Strafe wird eine wegen einer oder mehrerer Sexualstraftaten verurteilte Person dazu verpflichtet, sich unter der Kontrolle des Jugendrichters – der die Funktion des Richters für die Strafvollstreckung ausübt – verschiedenen Maßnahmen zu unterziehen. Damit soll Rückfälligkeit Vorschub geleistet werden. Es können in diesem Rahmen Verpflichtungen auferlegt werden, so zum Beispiel:
- ein Verbot, bestimmte Orte aufzusuchen
- die Verpflichtung, sich von bestimmten Personen fernzuhalten
- das Verbot der Ausübung einer beruflichen oder sozialen Tätigkeit auszuüben, bei der sie regelmäßig mit Minderjährigen in Kontakt kommen
- die Verpflichtung, sich behandeln zu lassen
Bei Nichteinhaltung der Auflagen kann der Richter die bei Anordnung der Führungsaufsicht ausgesetzte Haftstrafe vollstrecken lassen.
Staatsbürgerkunde-Praktikum (Le stage de citoyenneté)
Dieses Praktikum ist eine alternative Strafe zur Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft, zur Haftstrafe oder zu Bewährungsauflagen durch das Jugendgericht und verfolgt mehrere Ziele: Es soll den verurteilten Personen
- Toleranz und die Achtung der Menschenwürde vermitteln
- Werte, auf denen die Gesellschaft beruht
- ihnen ihre straf- und zivilrechtliche Verantwortung und
- ihre Pflichten innerhalb der Gesellschaft bewusst machen,
- sowie ihre soziale Eingliederung fördern.
Das Praktikum dauert maximal einen Monat und umfasst je nach Alter und Persönlichkeit der Minderjährigen bis zu 6 Stunden pro Tag. Die Inhalte des Praktikums werden unter Einbeziehung von Gebietskörperschaften, öffentlichen Einrichtungen, juristischen Personen des Privatrechts oder natürlichen Personen ausgearbeitet, die mit Aufgaben des allgemeinen Interesses befasst sind.